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a) allmächtig - ohnmächtig
Conny: Das letzte Mal haben wir gehört, wie Zenon die Lehre des Parmenides fortführt. Rosa: Sehr schön. Erzähl mal weiter. Conny: Wir haben gesehen, wie Zenon das Entstehen aus Gleichem und Ungleichem für unmöglich erklärt. Jan-Christoph: Wir haben das aber nicht gesehen. Conny: Ja, ist gut. Jan-Christoph: Gedacht! Conny: Hm. Jan-Christoph: Sag mal, ich habe mal eine Frage: Kommt da noch etwas anderes außer Sein und Nichts? Conny: Bei den Eleaten nicht. - Aber lasst uns bitte mit Zenon fortfahren. Zenon verteidigt einerseits den eleatischen Standpunkt, andererseits untersucht er die Bestimmungen des Seins, wie sie von seinen Vorgängern gegeben wurden. Parmenides nannte das Sein unbewegt. Zenon reflektiert diese Bestimmung. Er folgt ihrer Bedeutung, versucht herauszufinden, was geschieht, was sich ergibt. Dabei kommt er schließlich zu einer Zerstörung der festen Bestimmungen des Seins. Das Sein ist dann weder bewegt noch ruhend, weder begrenzt noch unbegrenzt. Nur das Sein bleibt dann übrig. Rosa: Ohne jede Bestimmung, also unbestimmt? Conny: Ja. Am Sein hält er fest; er bewegt es nicht. Er kommt nicht dazu aufzufassen, dass das Sein mit der Zerstörung seiner Bestimmungen selbst zerstört wird. Machen wir uns aber zunächst Zenons Lehren deutlich. Er sagt:
Wenn Gott das Mächtigste von allem ist, so kommt ihm zu, Einer zu sein; denn sofern ihrer zwei oder noch mehrere wären, so wäre er nicht über sie mächtig; aber soweit ihm also die Macht über die anderen fehlte, wäre er nicht Gott. Wenn also mehrere wären, so wären sie mächtiger und schwächer gegeneinander, also wären sie nicht Götter; denn Gottes Natur ist, nichts Mächtigeres über sich zu haben. Wären sie gleich, so hätte Gott nicht mehr die Natur, das Mächtigste sein zu müssen; denn das Gleiche ist weder schlechter noch besser als das Gleiche. Wenn also Gott ist, und zwar ein solcher, so ist Gott nur Einer; er vermöchte nicht alles, was er wollte, wenn mehrere wären. Indem er Einer ist, so ist er überall gleich, hört, sieht und hat auch die übrigen Empfindungen überall; denn wäre dies nicht so, so würden die Teile Gottes, der eine über den anderen mächtig sein, was unmöglich ist. Da Gott sich allenthalben gleich ist, so hat er Kugelform; denn er ist nicht hier so, anders anderswo, sondern allenthalben so.
Gott, das Sein, das Eine, ist das Mächtigste. Auch heute sagt man ja von Gott noch aus, dass er allmächtig sei. Rosa: Ja. Jan-Christoph: In meiner Vorstellung ist das nicht so. Es gibt nämlich Gott gar nicht. Anke: Was sagst du? Es gibt keinen Gott? Ach, Jan-Christoph, höre dir das erst einmal an. Rosa: Nach den Eleaten ist Gott das Sein. Er ist Alles. Jan-Christoph: Hm, hm. Conny: Gott ist allmächtig. Wenn er allmächtig ist, muss er Einer sein, muss sichselbstgleich und kugelförmig sein. Parmenides sprach von einer starken Notwendigkeit, die das All zusammenhält. Dafür verwendet jetzt Zenon den Ausdruck Macht. Jan-Christoph: Halt! Wenn mehrere Götter wären, könnte Gott doch noch mächtiger sein als die. Conny: Gewiss. Aber diese Götter hätten dann immer noch ein bisschen Macht. Jan-Christoph: Ja, ein bisschen! Aber er hätte die Macht auch! Rosa: Aber nicht alle Macht. Selbst ein bisschen Macht hebt die Allmacht auf. Jan-Christoph: Wenn Gott mehr Macht hätte als alle anderen Götter zusammen, wäre er doch allmächtig. Er hätte auch Macht über die Götter. Conny: Diese Götter wären aber auch etwas für sich. Und sofern etwas für sich ist, ist es der Macht des anderen entzogen. Jan-Christoph: Augenblick mal Conny! Das ist ein Gott, das ist ein Gott, das ist ein Gott usw., ja? Und das hier ist der Obergott. Jeder Gott hat ein bißchen Macht, aber der Obergott hat über alle Macht. Conny: Der Obergott hat nicht alle Macht, sondern nur mehr Macht. Er ist der Mächtigste unter Mächtigen. Er hat nicht alle, die ganze Macht. Jan-Christoph: Ja, stimmt ja. Rosa: Ja. Conny: Also: Gott ist allmächtig. Was ergibt sich daraus? Wenn Gott allmächtig ist, muss er Einer sein. - Aber über was hat er dann Macht? Rosa: Hm. Jan-Christoph: Über gar nichts. Rosa: Über sich. Conny: Wie soll ich das verstehen? Rosa: Ich habe doch z.B. auch Macht über mich. Jan-Christoph: Dann müsste Gott aber zwei sein. Conny: Das ist gut! Er muss sich selbst als ein anderer gegenübertreten, über den er dann Macht ausübt. Was aber hieße das? Jan-Christoph: Dann hat er nicht alle Macht, denn der andere muss ja auch ein bisschen Macht haben. Conny: Und wenn er dennoch alle Macht behalten sollte? Jan-Christoph: Dann kann es keinen anderen geben. Conny: Wenn Gott, das Sein, allmächtig ist, wäre nichts mehr da, über das er mächtig sein könnte. Jan-Christoph: Stimmt genau! Conny: Wenn wir der Bestimmung allmächtig folgen, erweist sie sich als ihr Gegenteil. Von der Macht bleibt nichts übrig. Die Bestimmung allmächtig vernichtet sich durch sich selbst. Jan-Christoph: Ja eben. Du hast es selber gesagt. Er kann nicht über sich selbst Macht haben. Er hat über nichts Macht. Conny: Nur der ohnmächtige Gott hat alle Macht. Rosa: Das ist aber sinnlos. Jan-Christoph: Also gibt es keinen Gott. Rosa: Und wie ist das mit dem Sein? Jan-Christoph: Also gibt es gar kein Sein. Rosa: Nee, ich glaube, das geht zu weit. Gott braucht ja nicht der Allmächtige zu sein. Er kann doch einfach nur Gott sein. Conny: Und wenn es sich nun mit allen anderen Bestimmungen des Seins genauso verhalten sollte wie mit der Allmacht, was bliebe dann wohl vom Sein übrig. Jan-Christoph: Sag ich doch - nichts. Rosa: Aber nur, wenn es sich bei allen Bestimmungen so verhält. Conny: Gut. Schauen wir uns andere Bestimmungen an. Jan-Christoph: Das brauchen wir gar nicht zu machen. Nämlich, wir haben schon lange bewiesen, dass es das Sein gar nicht gibt. Conny: Richtig. Jan-Christoph: Dann sind wir ja schon wieder beim Werden, und dann muss Gott ja eigentlich auch Geist sein. Rosa: Wieso sind wir schon wieder beim Werden!? Irgendwie ist das ganze wie ein Spiel mit immer neuen Wörtern. Wie im Mathematikunterricht. Conny: Das kann ich nicht ganz von der Hand weisen. Wir spielen mit abstrakten Bestimmungen wie allmächtig- ohnmächtig, bewegt - unbewegt. Das Spiel heißt Denken. Auch im Mathematikunterricht wird dieses Spiel gespielt. Dort aber bleiben die Elemente des Spiels, die Zahlen, erhalten. Sie gehen nicht im Spiel auf. Rosa: Gut, dann mach aber jetzt mit der Allmacht weiter und nicht mit dem Werden! Das irritiert mich nämlich. - Gott hat alle Macht, die es gibt. Jan-Christoph: Halt! Er hat nicht einmal Macht über sich selbst. Rosa: Doch. Er ... Jan-Christoph: Lass mich doch mal ausreden. Gott hat überhaupt keine Macht. Conny: Sagen wir doch lieber: Gott ist allmächtig, aber diese Allmacht ist dasselbe wie Ohnmacht. Wenn ich mit der Allmacht ernst mache, zerstört sie sich durch sich selbst, wird zur Ohnmacht. Die einseitige Bestimmung allmächtig ist entweder leeres Gerede, oder sie.... Rosa: Ja, das stimmt. Jan-Christoph: Ja, Gott kann es also ruhig geben, aber er hat keine Macht. Und das Sein hat auch keine Macht. Conny: Gott hat deshalb keine Macht, weil er allmächtig ist, oder sagen wir lieber. Gott ist nicht allmächtig und auch nicht ohnmächtig. Anke: Das Komische ist doch, dass etwas behauptet wird, und folgt man dieser Behauptung, verkehrt sie sich in ihr Gegenteil.
Rosa: Ja. Und nun? Weiter?
b) unbegrenzt - begrenzt
Conny: Gut. Wie sieht es mit anderen Bestimmungen des Seins aus. Hören wir Zenon.
Da er ewig und Einer und kugelförmig ist, so ist er weder unendlich (unbegrenzt) noch begrenzt (endlich). Denn unbegrenzt ist das Nichtseiende; denn dieses hat weder Mitte, noch Anfang und Ende, noch einen Teil, - ein solches ist das Unbegrenzte. Wie aber das Nichtseiende ist, so ist nicht das Seiende. Gegenseitige Begrenzung würde stattfinden, wenn mehrere wären; aber da nur das Eine ist, so ist es nicht begrenzt.
Jan-Christoph: Irgendwie ist das wieder das gleiche Prinzip wie Täuschung und Wahrheit - Enttäuschung. Conny: Ja. Jan-Christoph: So, Conny, das ... Rosa: Sei doch mal still. Jan-Christoph: Halt du mal deine Klappe und laß mich ausreden. Conny: Pst, pst! Was meinst du denn, Jan-Christoph, woran es liegt, dass wir wieder auf das Prinzip der Enttäuschung stoßen? Jan-Christoph: Ja, weil alle Leute etwas anderes meinen, aber trotzdem das gleiche sagen. Sie denken, sie haben etwas Neues, aber es ist immer noch das Alte, bloß sie haben dafür neue Wörter. Anke: (lacht) Nachher besteht die ganze Wissenschaft nur im Erfinden neuer Wörter. Conny: Vielleicht gehört dies zum Spiel dazu. Das Unbegrenzte - als Wahrheit genommen - erweist sich als Täuschung. Es wird enttäuscht zur Begrenzung, die aber auch Täuschung ist. Rosa: Wieso, das kannst du doch nicht einfach behaupten! Conny: Ja, ich habe vorgegriffen. - Wie sieht es also mit der Grenze des Seins aus. Anke: Das Sein kann nicht unbegrenzt oder unendlich sein, weil ich nur dort keine Grenze, keine Mitte, kein Ende finde, wo nichts ist. Jan-Christoph: Also, das Nichts hat keine Grenze, nur das Sein. Aber was kann man denn im Sein greifen? - Auch nichts?
Pause Ist ja schon wieder nur Nichts! Conny: Moment, nicht ganz so schnell! Zenon meint zunächst, nur im Nichts finde ich keine Grenze, deshalb müsste das Sein, das etwas anderes ist als das Nichts, begrenzt sein. Jetzt wollen wir dies prüfen. Rosa: Also mir ist es nicht klar, warum das Sein nicht unbegrenzt sein kann. Wenn das Nichts unbegrenzt ist, warum soll das Sein nicht auch unbegrenzt sein. Conny: Zunächst ist das Sein das Eine und nicht das Viele, deshalb müsste es unbegrenzt sein. Wenn nämlich im Sein eine Grenze ist, wäre es Mehreres, wäre da anderes. Jan-Christoph: Richtig. So. Wenn alles nur Sein ist, kann man nichts voneinander unterscheiden, weil nur reines Sein ist, sonst wäre nicht nur reines Sein. Conny: Ja. So argumentiert Zenon. Deshalb kann das Sein auch nicht begrenzt sein. Rosa: Aber wieso kommt schließlich raus, dass es nicht unbegrenzt sein kann. Jan-Christoph: Es ist wie eine Kreisbahn. Stimmt doch, oder? Conny: Lasst uns weitersehen. Wir ... Jan-Christoph: Halt Conny! Conny: Nein ... Jan-Christoph: Doch ... ! Halt, halt, halt! Rosa: Oh Janni! Du bist ein Arsch! Jan-Christoph: Halt du doch mal die Klappe! - Was wäre aber das Nichts? Wäre das dann Sein? Conny: Darüber haben wir gerade gesprochen. Laß mich doch erst einmal weiterreden. Jan-Christoph: Ach! Conny: Schalte aber nicht ab! Jan-Christoph: Klick! Conny: Vielleicht ergibt sich aus dem, was Zenon sagt, die Antwort. Zenon war nicht doof! Jan-Christoph: Denkst du etwa ich! Conny: Nee! Rosa: Natürlich ist Janni doof! Conny: Ach bitte.
Pause Rosa: Also, wenn das Sein begrenzt wäre, könnte es nicht Eines sein. Erklär mir das noch einmal. Guck mal, die Gegenstände hier sind doch auch alle begrenzt und trotzdem Eins. Jan-Christoph: Was ist eigentlich die Grenze von Eins? Conny: Ja ... Jan-Christoph: Indem man Zwei sagt. Was? Conny: Ja. Jan-Christoph: Nur wenn man nie Zwei sagt, hat Eins keine Grenze. Conny: Also, wenn Eines begrenzt ist, muss ein Zweites da sein. Es ist dann nicht Eines sondern Eins. Jan-Christoph: Ja. Rosa: (zu Janni) Dankeschön, dass du es mir bewiesen hast. Conny: Nun gut! Das Sein müsste also unbegrenzt sein. Das kann es aber andererseits nicht sein, weil im unbegrenzten Sein nichts wäre. Unbegrenztheit kommt nur dem Nichts zu. Im Nichts ist nichts zu finden. Deshalb sind beide Bestimmungen begrenzt und unbegrenzt für das Sein unzutreffend. Beide Bestimmungen vernichten sich. Es kommt bei Zenon nichts raus. Rosa: Ich finde das ganze Quatsch. Das ist doch alles voller Widersprüche! Conny: Sehr richtig. Zenon deckt Widersprüche auf. Die widersprechenden Bestimmungen zerstören sich bei ihm. Es bleibt nichts übrig. Allerdings dehnt er sein Zerstörungswerk nicht auf alle Bestimmungen aus. Und: Sein und Nichts, die sich genauso wie ihre Bestimmungen widersprechen, bleiben bei ihm erhalten.
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